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Hannelore Hock – Waldaschaff (Unterfranken)

Auszeichnung: 2012 – Kulmbach

Laudatio

Ja, soue isses! –

Ja, soue isses! Das ist der Ausspruch, mit dem Hannelore Hock über die Grenzen des Bayerischen Untermains hinaus bekannt geworden ist.

Ja, soue isses!: Die Lore Hock bekommt den Frankenwürfel 2012.

Und: Sie muss es schon irgendwie vor uns geahnt haben, dass sie in diesem Jahr den Frankenwürfel bekommt. Oder war es weibliche Intuition? Wie sonst wäre es zu erklären, dass sie im vergangenen Jahr schon intensiv für die heutige Veranstaltung geprobt hat.

Unter der Überschrift „Kabarett mal anders“ hatte Lore Hock vor genau einem Jahr bei einem traditionellen Gänseessen am Martinstag in ihrer unnachahmlichen Art für schmerzende Lachmuskeln bei den Essensteilnehmern gesorgt.

Martinstag? Gänseessen? Genau: Das steht auch heute auf dem Programm. Aber liebe Lore Hock – heute ist es an Ihnen, zuzuhören – zumindest vorerst.

Neben dem Umstand, dass heute Martinstag ist, hat der 11.11. für unsere Lore Hock noch eine weitere wichtige Bedeutung: Sie ist nämlich auch eine ausgewiesene Närrin – eine Närrin im besten und höchsten karnevalistischen Sinne. Sie ist in der Fränkischen Fastnacht genauso zuhause wie auf den Kabarettbühnen am Bayerischen Untermain und drum herum.

Den Menschen Freude zu bereiten verwirklicht sie seit einigen Jahren im Waldaschaffer Frauenkabarett „Ja, soue isses“. Sie ist das Herz und die Seele dieser Truppe. Das Waldaschaffer Frauenkabarett karikiert vom Leben geschriebene Geschichten in fränkischer Mundart und das Publikum lacht sich sprichwörtlich schlapp. Mit ihren Aufführungen, welche bereits weit über die Grenzen des Aschaffenburger Landes hinaus bekannt sind, nimmt sie sich der Heimat an und setzt bewusst den Dialekt als sprachliches Mittel ein. Hierdurch fördert sie auch das Bewusstsein der Mitbürger in der Region für die Region.

Dazu eine kleine Anekdote vorab, die mir von ihrem „Nachgeschwister“ (Cousin 2. Grades), MdL Peter Winter, gleichzeitig früherer Bürgermeister von Waldaschaff, berichtet wurde:

Als der damalige Innenminister und spätere Ministerpräsident Dr. Günther Beckstein im Jahre 2003 bei einer Bürgerversammlung in Waldaschaff in Anwesenheit von rund 700 Bürgerinnen und Bürger die Verlegung der Autobahn A 3 verkündete, ist unsere heutige Preisträgerin in der vollbesetzten Turnhalle aufgestanden und hat spontan „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ angestimmt, was nicht nur den Beifall, sondern auch weitere Jubelgesänge der Anwesenden auslöste.

Dabei war das Leben von Lore Hock natürlich nicht nur von Frohsinn geprägt. Bereits früh hat sie ihren Vater im Krieg verloren. Ein schweres Schicksal für die damals junge Lore Hock. Vom Schicksal hat sich unsere Preisträgerin allerdings in ihrem weiteren Lebensweg nicht unterkriegen lassen. Hat sie doch neben ihrer Verantwortung für ihre Familie, immerhin mit 3 eigenen Kindern, es in ihrer beruflichen Tätigkeit, in ihrer sozialen und politischen Arbeit und als Kabarettistin zu großem Ansehen und viel Anerkennung geschafft. Sie hat sprichwörtlich – was ja einen Gewürfelten auszeichnet – ihr Leben „gemeistert“. Für sie von Vorteil war dabei wohl, dass der Herrgott sie offenbar mit viel Humor und Freude versehen hat. Neben dieser Grundausstattung spielen – wie man weiß – natürlich auch Lebenserfahrungen für eine kabarettistische Laufbahn eine wichtige Rolle. Ihrem Sinn fürs Kabarett waren dabei ihre „Lehrjahre“ in einer Aschaffenburger Brauerei – wie man hört – nicht abträglich. Kann doch der enge Kontakt mit Bierbrauern durchaus selbst mal kabarettistische Züge annehmen oder zumindest Ideen für kabarettistische Vorlagen liefern.

Witzig ist sie also, unsere Preisträgerin! Das allein reicht aber nicht aus, die Verleihung des Frankenwürfels zu rechtfertigen.

An die Preisträger werden weitere Anforderungen gestellt. Neben dem Witz sind auch Wendigkeit und Widersprüchlichkeit zwingende Voraussetzungen.

Auch die Wendigkeit kann ich ihr bescheinigen. Sie ist ein weiblicher Hansdampf in allen Gassen. So witzig sie sein kann – wenn es notwendig ist, so ernst kann sie auch sein. Sie war lange Jahre Leiterin des Waldaschaffer Kindergartens – mit allen Organisationsaufgaben und Schwierigkeiten, die eine solche Aufgabe naturgemäß mit sich bringt. Und der Aschaffenburger Landrat Dr. Reuter hat mir bestätigt, dass aus den Waldaschaffern durchaus respektable Menschen geworden sind – zumindest dann, wenn sie bei Lore Hock im Kindergarten waren. Eine Aussage, die auch der jetzige Bürgermeister Marcus Grimm bestätigen könnte.

Im Kreistag des Landkreises Aschaffenburg sitzt sie seit Beginn dieser Wahlperiode als Vertreterin der Neuen Mitte und muss dort über profane Dinge wie Haushaltspläne und ähnliches abstimmen. Dabei nutzt unsere neu Gewürfelte gelegentlich auch dieses Gremium für besondere Einlagen: Hat sie doch anlässlich des 50. Geburtstages des Landrats gleich mal die Gelegenheit genutzt und ein Ständchen zum Besten gegeben.

Ohnehin scheint unsere Preisträgerin der Musik nicht nur im Bänkelsang, sondern auch in klassischen Genres zugeneigt zu sein, etwa durch ihre Mitwirkung im Kirchenchor oder wenn sie zusammen mit ihrem Mann mal ein herrliches Duett erklingen lässt.

Vielleicht war die Mitgliedschaft im Kreistag und ihre Sangesfreude auch der Auslöser dafür, dass Lore Hock seit kurzem regelmäßig ihre Lebensweisheiten im regionalen Radioprogramm – in Radio Primavera – zum Besten gibt. Aus „Lores Lottolädchen“, den unsere Frau Hock tatsächlich seit Jahrzehnten betreibt, gibt es dann immer wieder einen ganz besonderen Blick auf die aktuellen Themen. Dabei setzt sie bewusst den Dialekt als sprachliches Mittel ein. Apropos Dialekt: Als jemand, der seinen Dienstsitz in Würzburg hat, muss man schon feststellen, dass die Sprache des Untermains doch deutlich vom Ostfränkischen abweicht, verläuft doch im Spessart die von Sprachforschern immer wieder hervorgehobene „Appel-Apfel-Grenze“.

Man merkt auch an der Sprache, dass Aschaffenburg und der Untermain fast ein Jahrtausend lang zum Erzstift Mainz gehört haben, was die – aus fränkischer Sicht betrachtet – „Unna-Ruffer“ aber nicht hindert, sich innerhalb der Metropolregion Rhein-Main gegenüber den Hessen als etwas ganz Besonders zu profilieren.

Aber das ist letztlich auch ein Teil der Widersprüchlichkeit der Untermainer im Allgemeinen und von Lore Hock im Besonderen (ich meine Widersprüchlichkeit natürlich in einem sehr positiven Sinne).

Und damit sind wir dann bei der dritten Eigenschaft. Unsere Preisträgerin vereint trefflich Witz, Humor, Lebensfreude und andererseits auch Ernsthaftigkeit; wenn das nicht schon an sich widersprüchlich ist.

Durch ihre frühere langjährige Tätigkeit als Leiterin des Kindergartens engagierte sich Frau Hock vor allem im sozialen Bereich. Sie hat sich auch 44 Jahre im St. Michael-Verein (früher Johanniszweigverein), dem Trägerverein für den Kindergarten, eingebracht, davon lange Zeit als Kassiererin und zuletzt als 1. Vorsitzende. Abgerundet wird das ehrenamtliche Engagement durch 30 Jahre Mitgliedschaft im Pfarrgemeinderat Waldaschaff, davon 8 Jahre als 2. Vorsitzende und 4 Jahre als 1. Vorsitzende. Sie kennt sich also aus, von der Kindergartenrenovierung bis zum Kirchenumbau. Ihr starkes soziales Engagement hat ihr dann im März 2006 auch das Goldene Caritas-Ehrenzeichen des Deutschen Caritasverbandes und – später im Jahr – das Ehrenzeichen des Bayerischen Ministerpräsidenten für Verdienste von im Ehrenamt tätigen Frauen und Männern beschert. Bereits im Jahr 2000 erhielt sie den Preis für Menschlichkeit und Verständigung des Ausländerbeirates des Landratsamtes Aschaffenburg, sicherlich eine besondere Auszeichnung für eine „fränkische Kabarettistin“. Dabei hat Lore Hock die von ihr übernommenen Aufgaben immer mit viel Freude, unerschütterlichem Optimismus und Humor bewältigt. Sie ließ sich gerne in die Pflicht nehmen, nicht nur für die Familie, sondern gerade auch für den Dienst an anderen Menschen, aus ihrem christlichen Glauben heraus. Nach Aussage ihrer Gemeinde war und ist Lore Hock eine Mitbürgerin an der „vordersten Front“, dort wo sich das Leben abspielt und dort wo sich für viele Menschen das weitere Schicksal entscheidet. Sie hat viel für ihre Heimat, für ihr „Dorf“ (so bezeichnet sich die Gemeinde Waldaschaff mit knapp 4000 Einwohnern übrigens selbst) geleistet. Und sie tut dies auch heute noch.

Unterm Strich betrachtet: Lore Hock erfüllt alle drei Voraussetzungen für den Frankenwürfel. Witzig, wendig und widersprüchlich ist sie. Frau Hock, ab heute gehören Sie zur kleinen Schar der „Gewürfelten“. Und ab heute ist Ihnen dann auch die Martinsgans in jedem Jahr sicher.

Ja, soue isses!

Dr. PAUL BEINHOFER
Regierungspräsident von Unterfranken