Auszeichnung: 2015 – Thurnau
Laudatio
Die brasilianischen Indianer im Bundesstaat Mato Grosso haben ein einfaches, aber geniales Rezept gegen lange Reden: der Redner darf nur so lange sprechen, wie er es schafft, auf einem Bein zu stehen! Dieser Regel mag mancher der hier Anwesenden durchaus etwas abgewinnen können, vor allem wenn er schon einen Blick auf die Menükarte geworfen hat und ihm der Duft der Martinsgans in die Nase gestiegen ist. Aber es wäre in diesem Falle höchst ungerecht, denn erstens war meinen beiden Vorrednern dieses Handicap auch nicht auferlegt und zweitens würden wir dem fränkischen Wesen des oberfränkischen Preisträgers bei der zu erwartenden Kürze der Laudatio in keinster Weise gerecht werden. Ein anständiger Gewürfelter verdient eine anständige Würdigung, in der gebotenen Kürze, aber in der notwendigen Ausführlichkeit. Deshalb muss ich Ihre Geduld noch etwas in Anspruch nehmen und Ihren Magen ein klein wenig vertrösten.
Kehren wir aus dem brasilianischen Urwald zurück nach Franken und schauen wir ins Coburger Land. Es fällt auf, dass es von dort in 30 Jahren erst einen einzigen Gewürfelten – genauer gesagt eine Gewürfelte – gegeben hat. So war es an der Zeit, dass der Frankenwürfel wieder einmal in den Landkreis Coburg rollt und er hat sich gleich einen seiner prominentesten Bürger ausgesucht, der das Fränkische in bester und durchaus überraschender Weise verkörpert. Begrüßen Sie, sehr verehrte Festgäste, noch einmal mit mir den oberfränkischen Gewürfelten des Jahres 2015, Landrat Michael Busch aus Ebersdorf b. Coburg.
Michael Busch ist geborener Coburger und wuchs mit seinen drei Geschwistern im Coburger Land auf. Vater Helmut arbeitete als Polsterer und Dekorateur, Mutter Magda war Kauffrau. Dem jungen Gymnasiasten am Albertinum Coburg wäre es wohl im Traum nicht eingefallen, dass er gut 30 Jahre später Chef im Landratsamt an der Lauterer Straße sein würde. Obwohl es nicht lange dauerte, bis er erst in den Ebersdorfer Gemeinderat und dann in den Coburger Kreistag gewählt wurde und dort immer mehr Verantwortung übernahm. Bevor aber aus der Berufung zur Politik auch ein Beruf wurde, hat er, wie es sich für einen Gewürfelten gehört, erst einmal seine Wendigkeit in ganz unterschiedlichen Professionen unter Beweis gestellt: als Soldat auf Zeit in Roth und München, als Krankenpfleger, als Bürokaufmann und zuletzt als Geschäftsführer des Kreisjugendrings.
Prägend waren sicher seine Erfahrungen in der ehrenamtlichen Jugendarbeit, vor allem in den Leitungsfunktionen bei den Pfadfindern, wo er das Rüstzeug für spätere Führungsaufgaben erhielt. Die Parallelen zu seinem heutigen Amt sind unverkennbar. Denn muss nicht auch ein Landrat immer wieder geheimnisvolle Spuren deuten, verborgene Wege entdecken und enge Pfade beschreiten?
„Immer nah am Menschen“ – dieser Leitsatz zog sich wie ein roter Faden durch alle Stationen seines Berufslebens und ist bis heute gültig. Er pflegt gerne Freundschaften und legt viel Wert auf persönliche Begegnungen und gute Gespräche. Wobei er auch die Tiere liebt, besonders leidenschaftlich seine Eurasier vom Ährental, die er seit Jahren zusammen mit Ehefrau Daniela erfolgreich züchtet. Mit den schönen großen Familienhunden ist er jeden Morgen in Feld und Flur unterwegs und tankt neue Kraft für einen anstrengenden Arbeitstag.
Ein Landrat ist ja bereits kraft seines Amtes eine widersprüchliche Persönlichkeit. Deshalb haben es vor Michael Busch schon einige Landkreischefs zum Würfel gebracht, von A wie Ammon über H wie Held bis S wie Steigerwald. Einerseits ist der Landrat der Boss im Landkreis und zugleich volksnaher Repräsentant, andererseits Leiter einer Staatsbehörde, der im Vollzug hoheitlicher Aufgaben manchmal denen wehtun muss, die ihn das nächste Mal wieder wählen sollen. Wie der doppelköpfige Janus hat er zwei Gesichter, „ein Gesicht in der Bureaukratie, eins im Lande“, wie Bismarck es ausgedrückt hat.
Diesen Widerspruch aufzulösen gelingt Michael Busch vorzüglich dank seines gewürfelten Wesens. Er ist mächtig stolz auf seinen schönen Landkreis. Bei seinen Sommerwanderungen mit der Familie und den Hunden durchstreift er das ganze Land von Bad Rodach bis Sonnefeld und von Neustadt bis in den Itzgrund. Dabei macht er sich eine Erfahrung von Goethe zu Eigen: „Nur wo du zu Fuß gewesen bist, bist du auch wirklich gewesen.“ Den Menschen kommt er auf diese Weise so nahe, wie es in seiner Amtsstube nie möglich wäre, und lässt sich Aug‘ in Aug‘ berichten, wo gerade der Schuh drückt.
Besonders am Herzen liegen ihm die Veranstaltungen mit Kindern und Jugendlichen. Dann greift er gerne zur Gitarre und tritt als singender Landrat auf – das macht ihm viel mehr Spaß als jedes gesprochene Grußwort und den Kindern sowieso. Den richtigen Ton trifft er auch mit seinen Friedens- und Freundschaftsliedern, die er zu passenden Anlässen zum Besten gibt wie z.B. bei der Gedenkveranstaltung zum 25-jährigen Jubiläum der Grenzöffnung im benachbarten Thüringen. Michael Busch ist ein Mensch, der Grenzen überwindet, und nach seinem Verständnis sind die thüringischen Nachbarn ohnehin genauso waschechte Franken wie die Coburger auch.
Aber freilich ist einem Landrat nicht immer zum Lachen und erst recht nicht zum Singen zumute. Das Amt bringt es mit sich, dass man gelegentlich auch die Ecken und Kanten des Würfels zeigen muss. Michael Busch macht da keine Ausnahme. Wenn er sich unfair behandelt fühlt, schießt er auch schon einmal scharf zurück. Lieber ein deutliches Wort zur rechten Zeit als ein fauler Kompromiss, der am Ende doch keinem nützt!
Manchmal lässt Michael Busch aber auch Taten statt Worte sprechen. In bleibender Erinnerung ist hierbei ein brauner Erdhaufen. Der blockierte im Jahre 2013 die Zufahrtsstraße zu einer Wiese im Coburger Land. Allerdings handelte es sich nicht um irgendeine Wiese. Ausgerechnet auf diesem oberfränkischen Grün wollte die NPD ihren Bundesparteitag abhalten. Diese Veranstaltung musste am Ende mangels geeigneter Zuwegung abgeblasen werden. Es wird vielleicht auf ewig das Buschsche Geheimnis bleiben, ob die Bauarbeiten auf der einzigen Zufahrtsstraße zum Veranstaltungsgelände nun fachlich und vor allem auch terminlich so notwendig waren. Letztlich kann das aber auch dahin stehen. Für einen wendigen Gewürfelten ist es das Ergebnis, das zählt. Und das lautete nun mal: brauner Erdhaufen verhindert braune Veranstaltung.
Die Jurisprudenz fand das Ganze weder wendig noch witzig. Am Ende stand eine Geldauflage der Staatsanwaltschaft. Umso schöner, dass ihm wildfremde Menschen Solidarität zeigten und sogar Geld schickten, um sich zu beteiligen. Und dass das Geld Opferorganisationen des Holocaust zugutekam, war ihm späte Genugtuung und gewiss ein Schlag ins Gesicht der NPD.
Für sein Engagement gegen Rechts erhielt der Hundeliebhaber Busch kürzlich sogar in Berlin die Auszeichnung „Kommunalfuchs“. Denn als Mitgründer von „Coburg ist bunt“ und mit der Aktion „Flüchtlinge willkommen“ gibt er schon lange Jahre ein Beispiel für Zivilcourage. Respekt! Einen gewürfelten Fuchs hat es in Franken auch noch nicht gegeben!
Michael Busch ist leidenschaftlicher Franke und zeigt das auch ganz freimütig. Vor seiner Haustür im Ebersdorfer Ortsteil Friesendorf liegt für jeden sichtbar eine Fußmatte mit dem Schriftzug „Gott sei Dank, da wohnt a Frank“. Sein Landratsamt war eine der ersten Behörden, an denen zum Tag der Franken selbstbewusst die Frankenfahne gehisst wurde. Selbstverständlich ist er auch der fränkischen Mundart mächtig. Und auch den fränkischen Genüssen ist er nicht abgeneigt, vor allem nicht der Bratwurst in allen Variationen und Geschmacksrichtungen. Es gab Zeiten, da kam er an keinem Bratwurststand vorbei, ohne ein leckeres Exemplar zu genießen. Offenbar hat sich seine Vorliebe für das fränkische Leibgericht weit herumgesprochen, denn er wurde im Jahr 2011 sogar in die Jury des 1. Fränkischen Bratwurstgipfels in Pegnitz berufen. Ein großartiger Tag für Landrat Busch! Deutlich sichtbar hat er zwar dank einer konsequenten „Low-Carb-Ernährung“ inzwischen einiges an Gewicht verloren. Aber Bratwürste müssten bei „Low-Carb“ doch eigentlich weiterhin erlaubt sein, oder?
Außer der Bratwurst spielten schon immer Lied und Musik eine wichtige Rolle im Leben von Michael Busch. Schon in jungen Jahren leitete er einen Gospelchor mit Auftritten in ganz Franken. Später stand er mit seiner Gitarre auch solo auf der Bühne. Silvester 1993 gründete er zusammen mit dem Architekten Achim Fischer das legendäre Mülldeich-Duo. Bis heute machen die beiden mit einer einzigartigen Mischung aus Folklore und Kabarett die Bühnen im Coburger Land unsicher. Geprobt wird wenig, gelacht dafür umso mehr. Die besten Ideen kommen kurz vor dem Auftritt und werden dann spontan umgesetzt. Auch auf der Bühne beweist sich Michael Busch als kreativer Querdenker, der vor seinen Zuhörern alle möglichen und unmöglichen Lebenssituationen mit Witz und Verstand reflektiert und dem Publikum ebenso wie sich selbst gekonnt den Spiegel vorhält. Das Mülldeich-Duo sorgt nicht nur auf den Faschingsbühnen des Landkreises für Furore, sondern brachte im SPD-Wahlkampf auch schon Politgrößen wie Gerhard Schröder und Johannes Rau zum Lachen. Für Michael Busch gehören Humor und Fröhlichkeit einfach zum Leben dazu. Deshalb hat er auch den jährlichen Empfang für die Faschingsvereine des Coburger Landes im Landratsamt ins Leben gerufen und als feste Größe im Veranstaltungskalender etabliert.
Wendig, witzig, widersprüchlich! Kein Zweifel, dass Michael Busch den hohen Anforderungen des Frankenwürfels in bester Weise entspricht. Vor 30 Jahren wurde mit Dr. Rudolf Eberhard als allererstem Preisträger ein ehemaliger Landrat gewürfelt. Mit Ihnen, lieber Michael Busch, schließt sich heute der Kreis, und doch will es die Arithmetik, dass Sie zu einem ganz besonderen fränkischen Exemplar werden. Denn weil zwischen Dr. Eberhard und Ihnen exakt 98 andere Menschen gewürfelt wurden, sind Sie als 100. Träger des Frankenwürfels sogar ein Jubiläumsfranke. Und dazu sage ich Ihnen meinen Glückwunsch und ein herzliches Willkommen im Kreis der Gewürfelten.
WILHELM WENNING
Regierungspräsident von Oberfranken