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Lorenz Kalb, Nürnberg (Mittelfranken)

Auszeichnung: 2022 – Rottendorf

Laudatio

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Alt- und Neugewürfelte,
drei Jahre Durststrecke liegen hinter uns und so freuen wir uns besonders, das jährliche fränkische Hochamt in diesem Jahr wieder unter „Normalbedingungen“ begehen und damit auch die Neu-Gewürfelten angemessen würdigen zu können. Begrüßen Sie mit mir und einem donnernden Applaus unseren neuen mittelfränkischen Frankenwürfel-Träger Lorenz Kalb. Falls einigen von Ihnen der Name – noch – nichts sagt, so bin ich mir hundertprozentig sicher: indirekt sind Sie alle mit ihm schon in Berührung gekommen, denn wer unter uns kann von sich behaupten, noch nie ein Volksfest besucht zu haben?

Lorenz Kalb ist nämlich sozusagen der fränkische „Volksfest-Papst“.

1955 in eine uralte Schausteller-Dynastie hineingeboren, war ihm die Arbeit am Autoscooter, an der Losbude oder dem Glühweinstand von Kindesbeinen an bestens vertraut. Aber dafür verdient man sich natürlich keinen Frankenwürfel.

Auch nicht für die unzähligen Ehrenämter, die er schon in sehr jungen Jahren übernommen hat. So engagiert er sich zum Beispiel bereits seit 1976 in verschiedenen Funktionen beim Süddeutschen Schaustellerverband, bis er dort 2007 „Chef“, also erster Vorsitzender wurde. Dazu ist er seit 2003 Vizepräsidentschaft beim Deutschen
Schaustellerbund e.V. – um nur die wichtigsten und mit Sicherheit zeitintensivsten ehrenamtlichen Tätigkeiten zu nennen.

Diese vielfältige ehrenamtliche Verbandsarbeit ist ja immerhin sozusagen noch „berufsimmanent“. Erstaunlicher sind da schon die staatlichen und kommunalen Auszeichnungen, die ihm bereits verliehen worden sind, so 2016 die Bayerische Staatsmedaille für soziale Verdienste, 2019 die Ludwig-Scholz-Medaille der Stadt Nürnberg und – erst vor wenigen Wochen – der Bayerische Verdienstorden.

Hartes, hektisches und bestimmt nicht immer zartbesaitetes Schaustellerleben auf der einen Seite, hohes soziales Engagement – was ja die Grundlage für eine derartig hochkarätige Auszeichnung ist – auf der anderen Seite: das erscheint dann doch etwas widersprüchlich. Immer auf Achse, immer on tour, von den Frühlingsfesten bis hin zum Nürnberger Christkindlesmarkt – Wo bleibt da noch die Zeit für soziales Engagement? Ein Lorenz Kalb schafft den Spagat!

Er lädt Menschen mit Behinderungen, mittlerweile rund 7.000 an der Zahl, zum Aktionstag auf das Nürnberger Volksfest ein und sorgt so für ein kostenfreies oder zumindest stark vergünstigtes Vergnügen. Die ganze Logistik wird an diesen Tagen den Bedürfnissen der Eingeladenen angepasst, ein Komplettpaket oder „Allinclusive-Programm“ sozusagen.

Darüber hinaus engagiert er sich für alle Generationen: Er unterstützt junge Schausteller bei ihrem Start in die eigene Selbstständigkeit, bemüht sich, die Schaustellerjugend in die Arbeit des Verbandes einzubinden und so zu agieren, dass sich alle mitgenommen fühlen können und er vergisst auch die Schaustellersenioren nicht, die ebenfalls jedes Jahr auf das Nürnberger Volksfest eingeladen werden.

Widersprüchlich zeigen Sie sich, lieber Herr Kalb, auch bei Ihrem Geschäftsverhalten: immer auf der – äußerst erfolgreichen – Suche nach der allerneuesten Attraktion, dem allerletzten Schrei, aber genauso auch den alten, nostalgischen und romantischen Volksfesttraditionen verhaftet. Nicht nur, dass Sie Ihre historische Kirmesorgel in Ehren halten und bei besonderen Anlässen präsentieren. Sie haben auch ganz gezielt alte Traditionselemente wie Festumzüge, Traktortreffen oder Nostalgieausstellungen wiederbelebt.

Stolz sind Sie auch auf Ihre eigene lange Familienhistorie: Selbst bereits in 5. Generation Vollblutschausteller, sind auch Ihre beiden Töchter als 6. Generation auf den Volksfesten vertreten und sogar Ihre drei Enkel stehen schon in den Startlöchern. Einer von den Dreien begleitet Sie heute und ist bestimmt – zu Recht – mächtig stolz auf seinen Opa.

Fränkisch zäh und mit viel Augenmaß sich für die Interessen des Schaustellergewerbes auf der einen Seite einsetzend, können Sie – so ist uns aus absolut sicherer Quelle zugetragen worden – aber auch „fuchsteufelswild“ werden. Lieber Herr Kalb: Ich bin ganz froh und erleichtert, dass wir uns bei unserem ersten Zusammentreffen auf unvermintem Gelände begegnen, aber auch jetzt schon gewappnet und vorgewarnt für eventuelle künftige Begegnungen!

Dass Sie in Ihrem unermüdlichen Arbeitsalltag auch noch Zeit für die Familie, für Besuche beim „Club“ und für Urlaub haben sollen – kaum zu glauben! Dass Sie einmal „Lesen, lesen, lesen“ als Ihr Hobby genannt haben, nehme ich Ihnen schon gar nicht ab! Bestimmt ist das nur die Fassade, um im Geiste bereits wieder neue Ideen auszuhecken!

Womit wir auch schon beim zweiten „W“ wären:
Lieber Herr Kalb: wären Sie nicht Schausteller, so wären Sie bestimmt Erfinder geworden. Wer könnte den fränkischen Witz, das Gewitzt-Sein im Sinne von Erfindungsgeist und Einfallsreichtum besser verkörpern als Sie?
Ob Erfinder der ganz großen Events, der Nürnberger Kinderweihnacht 1999 beispielsweise, des Nürnberger Stadtstrands auf der Insel Schütt 2010 und der Stadtteilkirchweihen 2012, ob kreativer Kopf und Berater für viele andere fränkische Feste, ob Initiator der ganz besonders pfiffigen Formate auf den Volksfesten, zum Beispiel dem Angebot für Schulklassen „Naturwissenschaften auf dem Volksfest erleben“ oder dem „AZUBI-Speed-Dating“ auf dem Riesenrad für junge Schulabgänger: Nie werden Sie müde, Neues und Interessantes zu erfinden, zu entwickeln und in die Tat umzusetzen.

Das gilt natürlich in besonderem Maße für Ihren eigenen Geschäftsbetrieb, in dem Sie seit Jahrzehnten immer wieder Ihre neuen kreativen Ideen umsetzen, sei es mit neuen Fahrgeschäften, neuen Effekten oder Formaten und neuen Ausschankbetrieben.

Wichtig bei allem Streben nach Neuem, Innovativem, Spektakulärem ist Ihnen aber immer, dass auch die vermeintlichen Kleinigkeiten Topqualität und damit Vorbildqualität für andere Feste haben: die Sicherheit und Sauberkeit auf dem Platz, die Etablierung von immer mehr Serviceelementen für die Besucherinnen und Besucher und die optische Aufwertung zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität und Aufenthaltsdauerdauer.

„Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer“, erkannte der Philosoph Seneca schon vor 2.000 Jahren. Der Gedanke, etwas nicht zu wagen, weil es schwer ist, muss für Sie seit nunmehr über 50 Jahren völlig absurd sein. Sie sind „Macher“, „Erfinder“ und „Unternehmer“ im besten Wortsinn, immer allerdings im Bewusstsein, eine große Familie im Rücken zu haben, ohne die es gerade in dieser Branche nicht ginge. Und so ist es auch nur folgerichtig, dass Sie heute nicht nur von Ihrem Enkel, sondern auch von Ihrer Frau Heidi begleitet werden. Seien Sie uns ebenfalls herzlich willkommen, liebe Frau Kalb, ohne „Heidi´s Treff“ wären die Volksfeste nicht, was sie sind!

Und wenn dann mal wirklich etwas „floppt“? „Ein Misserfolg ist lediglich die Möglichkeit, schlauer von Neuem zu beginnen“, diese Lebensweisheit des Unternehmers Henry Ford könnte auch Ihr Lebensmotto sein.

Ganz besondere Wendigkeit haben Sie bei einer der schwersten Krisen für Ihre Branche bewiesen. Als mit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020, also unglücklicherweise ziemlich genau zum Saisonstart, alle Aktivitäten erst einmal auf Eis gelegt wurden, haben Sie sich mit enormer fränkischer Zähigkeit und Beharrlichkeit für die Gewerbetreibenden rund um das Schaustellergewerbe eingesetzt. Sie sind in dieser langen Zeit der massiven und immer wieder sich ändernden Einschränkungen nicht müde geworden, sich neue und innovative Formate für die betroffenen Unternehmerinnen und Unternehmer auszudenken. Gerade die kleineren Betriebe konnten dank Ihres ausdauernden Einsatzes Nischen in den Städten beziehen und damit auch wieder ein bisschen Leben und Freude unter die Menschen bringen. Die Krisen finden leider kein Ende – Stichwort Personalmangel, Energiekrise – ich bin mir sicher, dass Sie auch aus diesen neuen Herausforderungen das Beste machen!

Lieber Herr Kalb,
Sie sind ein echtes fränkisches Original und verkörpern fast schon idealtypisch den witzigen, wendigen und widersprüchlichen Franken! Ich freue mich deshalb, Ihnen heute den Frankenwürfel 2022 zu verleihen und heiße Sie im Kreis der Gewürfelten herzlich willkommen!


DR. KERSTIN ENGELHARDT-BLUM
Regierungspräsidentin von Mittelfranken