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Ilse Schörner – Bindlach (Oberfranken)

Auszeichnung: 1998 – Bad Windsheim

Laudatio

Als erste Würfelfränkin meiner Amtszeit als Regierungspräsident von Oberfranken stelle ich Ihnen heute Frau Ilse Schörner aus Bindlach im Landkreis Bayreuth vor. Dieser großartigen Frau, die viele Gesichter hat, aber auch ein großes und gescheites Herz, mit Worten gerecht zu werden, ist ein saures Amt. Das hat der Verfasser dieser Laudatio ebenso erfahren wie schon viele professionelle Redakteure vor ihm.

Als »Grande Dame der Bayreuther Kulturszene « hat sie einer bezeichnet – hm, ja. »Oberfrankens größte Volksschauspielerin« hat sie ein anderer genannt – schon treffender. Und wieder ein anderer hat es schließlich auf die Formel gebracht: »Die Schörner«. Gut gebrüllt, Löwe! Das steht ebenso schlicht wie erhaben da und kommt der Sache wohl am nächsten.

Wer und was also ist Ilse Schörner? Ich fang’ mal so an: Ein Honiglecken hat sie nie gehabt, auf der Bühne nicht, und nicht im Leben. Bescheiden hat sie immer gelebt, früher als Facharbeiterin und heute, zusammen mit Katze Minka und Hündchen Babette, in Rente. Doch führt sie seit langem ein Doppelleben: als die Frau Schörner in ihrem Dorf – und eben als » die Schörner« auf den Brettern, die die Welt bedeuten.

Angefangen hat alles bei der Theatergruppe des TSV Bindlach. (»Mir ham halt Laienspiele g’macht. Ostern, Weihnócht’n, Ostern, Weihnócht’n«). 1970 wurde ihr großes Schauspieltalent von Dr. Eberhard Wagner entdeckt – einem Mundartforscher an der Uni Erlangen –, und von daher ist es gedanklich nicht mehr weit bis zur Gründung der »Studiobühne Bayreuth «, die heute mit eigenem Haus und ganzjährigem, qualitätvollen Spielplan einen geachteten Platz unter den deutschen Bühnen einnimmt. Hier wurde der Rohdiamant geschliffen. Die »Studiobühne« wurde ihr Schicksal – und umgekehrt.

Ungezählte große Rollen hat Ilse Schörner dort verkörpert, von der klassischen Tragödie bis hin zu Dürrenmatt und Garcia Lorca, und natürlich jede Menge Mundarttheater. überhaupt die Mundart – können Sie sich vorstellen, dass Klytemnästra den Mord an ihrem Gatten Agamemnon mit archaischer Wucht in Bareither Mundart (!) rechtfertigt, und zwar so, dass es den Zuschauern kalt über den Buckel läuft? Ilse Schörner brachte es fertig. Nicht minder überzeugt sie, wenn sie als Frau Neureich, mit Schmuck behängt wie a Christbäumla, süffisant bemerkt, dass ihresgleichen absolut nix von der »Hott Folee« (haute-volée) unterscheide – solang mer net es Maul aufmach’n « … Und so wie sie schließlich zusammen mit ihrem langjährigen Bühnenpartner Lothar Zintl das eheliche Zweckbündnis vorgeführt hat, liegt der Vergleich mit Karl Valentin und Liesl Karlstadt in der Luft – nur halt auf Fränkisch.

Ein Journalist hat einmal über sie geschrieben, sie muss das Volk nicht spielen, sie ist das Volk. Und sie braucht das Volk! Als Darstellerin braucht und sucht Ilse Schörner keine Gage, wohl aber immer den Kontakt zum Publikum, und bleibt eine erwartete Reaktion, etwa ein Lachen, einmal aus, dann schimpft sie nachher in der Garderobe: »Die gehen wahrscheinlich z’erst in’ Keller, bevor’s lachen!« Diesen Groll wollen wir uns hier nicht zuziehen, und so bitte ich Sie jetzt um einen herzlichen Applaus für Frau Ilse Schörner!

HANS ANGERER
Regierungspräsident von Oberfranken