Zum Inhalt springen

Helmut Vorndran – Rattelsdorf (Oberfranken)

Auszeichnung: 2014 – Stadtlauringen

Laudatio

Man muss Gott für vieles danken,
besonders für die Oberfranken.
Hier stimmt alles, hinten, vorn,
der Geschmack, der Duft, die Form,
groß und prächtig selbstzufrieden
sieht man sie gegrillt dort liegen.

Mit einigen Zeilen seiner eigenen Dichtung darf ich Sie, sehr geehrte Damen und Herren, auf die Würdigung des oberfränkischen Gewürfelten Helmut Vorndran aus Rattelsdorf einstimmen. Was als Loblied auf die Oberfranken zu beginnen scheint, haben Sie vielleicht schon als Hommage an die heimische Bratwurst erkannt.
Helmut Vorndran kennt sich bestens aus mit den Franken, mit den Bratwürsten genauso wie mit den Menschen. Ausgewiesener Experte ist er jedoch darin, die Franken gleich reihenweise ins Jenseits zu befördern. Natürlich nur auf dem Papier in der Fiktion seiner Geschichten, andernfalls hätten wir ihn lieber nicht eingeladen.

Die Oberfranken zwischen Bamberg und Coburg, im Itzgrund und am Obermain gelten wie die Franken generell als recht friedfertiges Volk. Zugegeben – fränkische Dickschädel mit einem gewissen Hang zur Renitenz gibt es dort wie überall. Die polizeiliche Kriminalstatistik jedenfalls zeigt für diesen Landstrich keine nennenswerten Auffälligkeiten, schon gar nicht bei Mord und Totschlag.
Begibt man sich dagegen in die fränkische Welt des Krimiautors Helmut Vorndran, könnte einem schier angst und bange werden. Da wird gemordet und gemeuchelt was das Zeug hält. Allerdings so charmant und raffiniert, dass es sogar schon wieder Spaß macht! Deshalb wagt er auch die kühne Behauptung: „Wer in Franken umgebracht wird, ist zufriedener tot als anderswo.“

Helmut Vorndran kam weder als Oberfranke noch als Krimischreiber zur Welt. Seinen ersten Schrei tut er 1961 im unterfränkischen Bad Neustadt an der Saale, also dank glücklicher Fügung gerade noch auf fränkischem Boden zwischen Hessen in der einen und Thüringen in der anderen Richtung. Dem bayerischen Abitur folgt eine solide Schreinerlehre. Die Sozialpädagogik führt ihn nach Bamberg. Vom Studium befreit er sich rechtzeitig, an Bamberg bleibt er hängen. Sein fränkischer Freigeist lässt ihn aber jetzt eine völlig andere Richtung einschlagen, die von drei Schlagworten geprägt sein wird: Krimi, Kanu, Kabarett!

Ältere Zeitgenossen verbinden mit Helmut Vorndran vor allem die Buchstaben TBC. Gemeint ist das Totale Bamberger Cabaret, das er 1984 ins Leben gerufen hat. Mit der bissigen, satirischen Drei-Mann-Gruppe enterte er die Kabarettbühnen weit über die Namen gebende Regnitzstadt hinaus.
Unter dem Pseudonym „Stöcker“ zog er zusammen mit seinen Kollegen beinahe alles und jeden durch den Kakao – die große Politik und gierige Finanzmanager ebenso wie eitle Wichtigtuer und eher harmlose Schlitzohren. Wer zu TBC ging, durfte nicht zimperlich sein. Die „Political Correctness“ musste draußen bleiben. Spontan, witzig, frech und derb – Vorndran war mit seiner unvergleichlichen Mimik und sarkastischem Wortwitz die Speerspitze der fränkischen Lästertruppe, die bald schon Kultstatus in Franken erreichte. In den Auftritten steckte jede Menge Lokalkolorit. Schon vorher recherchierte man bei den Veranstaltern spannende Geschichten und örtliche Skandale, um sie zur Verblüffung des Publikums geschickt in das jeweilige Tagesprogramm einzuflechten.
Gelegentlich, und das zeichnet einen gewürfelten Franken geradezu aus, eckte man auch gehörig an. So wurde ein Auftritt im Mittelfränkischen einmal kurzerhand vom dortigen Bürgermeister verboten, weil er das Kabarettprogramm an einem Gründonnerstag für zu anstößig hielt. Der Popularität tat dies keinen Abbruch, ganz im Gegenteil!

Aufsehen erregten die TBC’ler mit ihrer Spaßbewerbung für die Bamberger Oberbürgermeisterwahl im Jahr 1994. Tatsächlich fanden die Wähler am Wahlsonntag auf ihrem Abstimmungszettel auch den Namen des OB-Kandidaten Helmut Vorndran. Immerhin 557 Bamberger schenkten ihm das Vertrauen und setzten ihr Kreuz bei ihm. Zwar fehlten am Ende gut 10.000 Stimmen zur Stichwahl, aber dafür war er in aller Munde. Wie sich der Kabarettist Vorndran wohl auf dem Chefsessel im Rathaus am Maxplatz geschlagen hätte?

Nach fast 30 Jahren reichte es ihm dann mit dem Kabarett. Helmut Vorndran war zwar nicht der erste Franke auf dem Mars, um auf eine der lustigsten Passagen seines jüngsten Krimis „Das fünfte Glas“ anzuspielen. Die Strecke von der Erde zum Mond hat er mit den Fahrten zu den vielen TBC-Auftritten aber garantiert mehrfach zurückgelegt. Dies, dazu der große Zeitaufwand für die Proben und nicht zuletzt der Wunsch nach Veränderung ließen den Entschluss reifen, der Kabarettbühne „Ade“ zu sagen. Während TBC also in veränderter Formation die „Lachablösung“ vollzieht, genießt Vorndran die neu gewonnene Unabhängigkeit als frei schaffender Künstler.

Wie kommt dann aber ein Franke, noch dazu ein fränkischer Kabarettist, zum Krimischreiben? Helmut Vorndrans literarische Wurzeln liegen eigentlich im Fantasy-Bereich. Der eifrige Perry-Rhodan-Leser schickte bereits einmal als Schüler einige selbst geschriebene Seiten an einen Verlag, ohne jemals eine Antwort zu erhalten. Später ließ er sich von Tolkiens „Herr der Ringe“ faszinieren. Spuren davon finden sich in seinem zweiten Krimi „Blutfeuer“ wieder, in dem sich der Zwerg Gimli eine atemberaubende Verfolgungsjagd mit der Polizei liefert, zwar nicht durch die Hallen von Moria, aber immerhin durch die Bamberger Katakomben.
Dass sich Vorndran dann tatsächlich an seinen ersten eigenen Krimi gewagt hat, war eher einem Zufall zu verdanken. Auf einer Hochzeitsfeier traf er einen Verlagsmitarbeiter, der ihn vorher schon als Kabarettist gesehen hatte. Der riet ihm: „Schreib Frankenkrimis!“ Gesagt getan! Vom Erstlingswerk „Alabastergrab“ waren binnen weniger Monate 10.000 Exemplare verkauft, ein Spitzenwert für einen Lokalkrimi, noch dazu für einen Debütroman. Inzwischen sind vier weitere Krimis und ein Kurzgeschichtenband mit fränkischen Mordsgeschichten erschienen, ohne dass der Erfolg und die Lust am Schreiben nachgelassen hätten.

Regionalkrimis liegen im Trend. Die Leser freuen sich, wenn sie Straßen, Gebäude und sogar Menschen aus der realen Welt wieder erkennen. Dieses Bedürfnis bedient Helmut Vorndran in bester Weise. Er baut selbst erlebte Situationen in seine Bücher ein und setzt ihm bekannten Personen ein Denkmal, indem er sie in seinen Geschichten auftauchen lässt – sei es die Kulturamtschefin aus Haßfurt, die Buchhändlerin aus Ebern oder der Coburger Sänger. Wer weiß, ob sich nicht bald sogar ein Gewürfelter aus dieser Runde in einem Vorndran-Krimi wiederfindet!

Wendig, witzig und widersprüchlich – so ist der gewürfelte Franke, wie es uns Hans Max von Aufseß gelehrt hat. Sein Schriftstellerkollege Helmut Vorndran hätte dem Baron bestimmt gefallen. Wer Vorndrans gewürfelte Eigenschaften sucht, braucht bloß eines seiner Bücher zu lesen.
Fast auf jeder Seite blitzt sein trockener fränkischer Humor auf. Seiner Fantasie sind scheinbar keine Grenzen gesetzt. Lieber schießt er einmal über das Ziel hinaus, bevor er sich eine launige Idee verkneift. Die Geschichten gehen gelegentlich haarscharf an der machbaren Wirklichkeit vorbei. Trotzdem geraten sie nicht zur absurden Parodie, sondern sind hervorragend komponierte und spannende Kriminalstücke mit anspruchsvollen Themen und irren Wendungen. Die Story entwickelt sich aus mehreren zunächst nicht zusammenhängenden Erzählsträngen und mündet erst nach und nach in ein logisches Ganzes. So hält er gekonnt seine Leser genauso auf Trab wie seine Polizeiermittler.

Seine Protagonisten der Bamberger Kriminalpolizei sind bunt gewürfelte Charakterköpfe wie er selbst. Chefermittler Kriminalhauptkommissar Franz Haderlein, Kopfmensch und gebürtiger Oberbayer, ist einst der Liebe wegen nach Franken gekommen. Bisweilen zweifelt und verzweifelt er an den Franken und ihrer „Bassd-scho-Mentalität“. Sein Gegenentwurf ist der junge Kriminalkommissar Bernd Schmitt, ein waschechter Bamberger mit reichlich Dialekt, dem sie wegen Pferdeschwanz und Sonnenbrille den Spitznamen Lagerfeld verpasst haben. Er regelt vieles aus dem Bauch heraus, leider nicht immer zu seinem Vorteil. Unbestrittener Star der Polizeitruppe ist allerdings das Ferkelchen Riemenschneider, ein Geschenk der Kollegen zu Haderleins Dienstjubiläum. Statt die junge Dame zu knusprigem Spanferkel zu verarbeiten, hat sie der erfahrene Hauptkommissar in die Bamberger Kripo integriert und zum geprüften Polizeispürschwein ausbilden lassen. Seitdem heißt es „Wieder einmal Schwein gehabt“, wenn die Bamberger Kriminaler dank Riemenschneiders erstaunlicher Fähigkeiten einen komplizierten Fall gelöst haben.

Noch liegen die Bestseller der internationalen Krimiszene bei den Verkaufszahlen einen Deut vor Helmut Vorndran. Deshalb hat er, wendig wie er ist, einfach ein weiteres Hobby zum Beruf gemacht. An der malerischen Itz betreibt er einen Kanuverleih und vermietet Ferienwohnungen in einer alten Mühle.
Eigentlich hatte sich die Obere Mühle in Rattelsdorf schon im Zustand der Selbstauflösung befunden. Was einen gewürfelten Franken aber nicht abschrecken kann! Selbst wenn ganze Innenmauern einstürzen, erträgt er das mit fränkischem Gleichmut und sagt sich: „Ein altes Haus zu renovieren macht viel mehr Freude als ein neues zu bauen und kostet kaum das Doppelte.“ Auch wenn mancher Ärger zu überstehen war – am Ende ist sein Sanierungsprojekt mit unzähligen Stunden Eigenleistung bestens gelungen und hat sogar einige Auszeichnungen eingeheimst.

Vom Genussmenschen Helmut Vorndran war schon ganz am Anfang die Rede. Nicht nur, dass ihm die besten Ideen in seiner Kaltenbrunner Stammpizzeria einfallen. Gelegentlich lädt er auch zu kulinarisch-kriminalistischen Lesungen ein – bei Mord und Mahlzeit im Vier-Gänge-Menü haben sich schon etliche Besucher köstlich amüsiert. Ob es dann auch Bratwürste gibt, weiß ich nicht. Und wer von den drei Franken die besten Bratwürste macht, wird hier auch nicht verraten. Fragen Sie ihn nachher selbst oder besorgen Sie sich seinen Kurzgeschichtenband. Der ist zum Gegenwert von vier Paar Bayreuther Bratwürsten überall zu haben.

Auch gegen ein frisch gezapftes „Seidla“ hat Helmut Vorndran nichts einzuwenden. Deshalb soll das Ende dem zweiten fränkischen Grundnahrungsmittel gewidmet sein, natürlich wieder aus seiner Feder und mit dem ihm eigenen ganz speziellen Humor:

Der Franke auf dem Sterbebett
fand sein Leben eigentlich nett.
Kinder wurden ihm geboren,
der Club hat auch nicht immer verloren.
Also, wenn er’s recht bedachte,
war’s gut, was er auf Erden machte.
Das Einzige, was ihn je gereut,
war das Bier, das er herausgespeit.

Dem ist nichts hinzuzufügen, außer: Herzlich willkommen, lieber Helmut Vorndran, in der Tafelrunde der gewürfelten Franken.

WILHELM WENNING
Regierungspräsident von Oberfranken