Auszeichnung: 2000 – Lichtenfels
Laudatio
»Gibt es ein Leben hinter dem Döbraberg?« Fragen wie diese bilden den Auftakt für Veranstaltungen der oberfränkischen Musikgruppe »Dreyschlag«, deren »Chef« Erwin Lipsky heute mit dem Frankenwürfel ausgezeichnet wird.
Auch wenn wohl die meisten der hier Anwesenden mit dem Begriff »Dreyschlag« nichts anzufangen wissen – der Name ist Tradition und Verpflichtung zugleich. Im 19. Jahrhundert verkörperte der Dreyschlag das rhythmische Klatschen zu Walzern, Landlern und Drehern im 3/4-Takt bei Tanzveranstaltungen. Auf den oberfränkischen Tanzböden war es für die jungen Burschen üblich, lautstark zum Takt der Musik zu schlagen und so der Freude und dem Vergnügen Ausdruck zu geben. Dreyschlag war also mehr als bloßer Rhythmus – in der alten Zeit stand er für Lebensfreude und fröhliches Beisammensein.
Heute steht die Gruppe »Dreyschlag« – anknüpfend an diesen alten Brauch – zunächst für Volksmusik im weitesten, wenn auch nicht im landläufigen Sinne. Die nordost- oberfränkischen Musiker mit ihrem Frontmann Erwin Lipsky nutzen die Volksmusik, um diese mit zeitkritischen Texten zu versehen und der Bevölkerung so den Spiegel vorzuhalten. Autokult und Spießertum, aber auch Umweltprobleme sind die Themen, derer sich der gelernte Erzieher und spätere Musiklehrer Lipsky gerne annimmt.
Ob sich die Oberfranken allerdings von ihm auch erziehen lassen, ist bislang offen geblieben. Bekannt ist nur, dass trotz der bisweilen bissigen und mitunter auch polarisierenden Texte das Publikum stets gut amüsiert und wohl gelaunt den Saal verlässt.
Die »alten« Lieder mit »modernen« Texten werden mit akustischen Instrumenten wie Dudelsack, Schalmeien und Klarinette, Fagott und Klarinette, Gitarre und Geige meisterhaft interpretiert; aus fränkischen, böhmischen und vogtländischen Volksliedern und Tänzen werden zeitkritische Songs und Couplets, die vor Wortwitz, Tiefsinn und Ironie nur so sprühen. Pointe reiht sich an Pointe.
Doch »Dreyschlag« ist eigentlich mehr als nur Musikgruppe. Ihre Auftritte sind – vor allem zusammen mit dem Mundart-Autor und Frankenwürfelträger Gert Böhm – regelmäßig richtige Musikshows, angereichert mit Parodien, Satire und Kalauern. Zwischen einzelnen Musikstücken gibt es kabarettistische Einlagen, in denen die oberfränkische Heimat auf die Schippe genommen wird.
So kommt es vor, dass der Frankenwälder als ein Menschenschlag beschrieben wird, »der Willy Brandt noch für einen Cognac hält«. Kaum jemand versteht dieses Handwerk besser als die nordost-oberfränkischen Allroundkünstler um Erwin Lipsky. Die Gruppe »Dreyschlag« steht damit weit über die Region hinaus für eine urwüchsig-eigenartige Mischung aus traditioneller Volksmusik, Kabarett und Mundartpoesie. Erwin Lipsky kann daher guten Gewissens als Grenzgänger bezeichnet werden – als Grenzgänger zwischen Tradition und Moderne.
»Dreyschlags Volksmusik ist anrührend, aber nicht rührselig, heimatverbunden, aber nicht heimattümelnd – ehrliche Musik also, mit Texten, die unvermittelt Gefühle ausdrücken, immer gerade heraus, manchmal deftig«, lobte die Kritik. Dem ist nichts hinzuzufügen. Ich bin stolz darauf, heute Herrn Erwin Lipsky in den Kreis der Frankenwürfelträger aufnehmen zu können.
HANS ANGERER
Regierungspräsident von Oberfranken