Auszeichnung: 2024 – Bad Windsheim
Laudatio
Was haben ein guter Rocksong und ein Fränkisches Krenfleisch gemeinsam? Nun, beide sorgen für ordentlich Dampf im Kessel, rühren zu Tränen und lösen beim Genießer auf diese oder jene Weise unbeschreibliche Glücksgefühle aus.
Einer, der sich in beiden Welten hervorragend auskennt, mit den Rolling Stones und AC/DC ebenso wie mit köstlichen fränkischen Spezialitäten, eröffnet den diesjährigen Auftritt der neugewürfelten Franken: Peter Stübinger aus Oberzettlitz, Bandleader, Sänger und Keyboarder einerseits, legendärer Kulmbacher Gastwirt andererseits, noch dazu Landwirt, Schnapsbrenner, Diplomkaufmann, Fußballvereinsgründer und Dialektspruchsammler.
Peter Stübinger ist ein Sonntagskind, diesen sagt man ja nach, besonders viel Glück im Leben zu haben. Er selbst glaubt nicht an Glück oder Zufall, sondern an göttliche Fügung, die ihn auf wundersame Weise durch manch abenteuerliche Situation gebracht hat.
Entscheidend geprägt hat ihn das bäuerliche Umfeld, in dem er aufgewachsen ist. Die Mithilfe auf dem Hof der Eltern in Oberzettlitz am Roten Main lehrte ihn harte Arbeit und Bescheidenheit, sie förderte aber auch die Verbundenheit mit der Natur und die Achtung vor der Schöpfung. Als einzigem Sohn der Familie war ihm eigentlich eine landwirtschaftliche Karriere als Hoferbe zugedacht. Dieser entzog er sich aber, jedenfalls vorerst, wegen des garstigen Volksschullehrers und meldete sich kurzerhand für die Aufnahmeprüfung an der höheren Schule an. Dass er sie trotz riesiger Wissensdefizite bestand, gehört wohl auch zu den Fügungen in seinem Leben.
Wieviel fränkische Zähigkeit notwendig war, um sich zu jener Zeit als Bauernbub bis zum Abitur durchzukämpfen, ist aus heutiger Sicht kaum zu ermessen. Dazu eine ordentliche Portion Pfiffigkeit und Schlagfertigkeit in Form kreativer Ausreden, um fehlende Hausaufgaben und geschwänzte Schulstunden zu erklären. Immerhin, sein alter Lehrer an der Kulmbacher Oberrealschule hatte Peters Potenzial erkannt: „Stübinger“, so prophezeite er, „aus Ihnen kann was werden, aber Sie müssen die Musik gehenlassen.“
Das kam natürlich überhaupt nicht in Frage. Die Karriere hatte da ja gerade erst Fahrt aufgenommen. Schön singen konnte er schon als kleiner Pimpf. Später zeigte er sein Talent am Schifferklavier mit ersten kleinen Auftritten und mit 14 stand der Entschluss fest, die Musik einmal zum Beruf zu machen.
Es war die große Zeit der Schlager und der Tanzorchester, aber dann kamen die Beatles. Ab da wollten die Leute nur noch Beat-Musik hören. Peter Stübinger sprang mit einigen Musikern auf den Zug auf und gründete die Telstars, benannt nach dem ersten amerikanischen Nachrichtensatelliten, und das mit 17 Jahren und gleich als Chef. „I wanna hold your hand“ war ihr erster Song und vom ersten Auftritt vor 42 Zuhörern blieben gerade einmal mickrige 3,50 DM übrig.
Entmutigen ließ er sich davon nicht, auch da bewies er fränkische Robustheit. Und so schossen die Telstars schon bald wie eine Rakete in den Himmel und brachten mit ehrlicher Live-Musik die Hallen und Säle zum Beben. Sie wurden zu einer der erfolgreichsten Coverbands in der Region mit 230 Auftritten im Jahr vor bis zu 10.000 begeisterten Fans. Auf der Bühne machte Peter Stübinger mit perfekter Show und lustigen Sprüchen Stimmung und abseits der Bühne kümmerte er sich als versierter Manager mit Diplom-abschluss darum, dass sich das Unternehmen Telstars auch wirtschaftlich rentierte.
Nicht wenige Junggebliebene verbinden mit Peter Stübinger und den Telstars bis heute die besten Erinnerungen an ihre wilden Jahre. Kein Wunder also, dass der Revivalauftritt anlässlich des 60-jährigen Bandjubiläums im April dieses Jahres mit 2000 Menschen proppenvoll war und Jung und Alt beim Tanzen und Feiern die vergangenen Zeiten noch einmal hochleben ließen. Ungeachtet seiner Bekanntheit ist der Telstars-Peter aus Oberzettlitz aber immer einer von ihnen geblieben, bodenständig, heimatverbunden und geerdet, mit viel Empathie für seine Mitmenschen und einem ausgesprochenen Sinn für Gerechtigkeit. „Man muss sich selbst noch im Spiegel anschauen können“ lautet das Credo, nach dem er immer gelebt hat.
Apropos bekannt: Zu den prominentesten Telstars-Fans gehört sein Schulfreund Thomas Gottschalk, den er damals öfters hinten auf dem Fahrrad oder Moped mit ins Gymnasium genommen hat. In der ZDF-Oldieshow schwärmte Gottschalk sogar vor einem Millionenpublikum von den guten alten Zeiten mit den Telstars in Kulmbach.
Mit 50 hat Peter Stübinger dann die Bühne verlassen und eine Auszeit genommen. Aber wo sich eine Tür schließt, geht eine andere auf. Bereits als Junge hatte er mit dem Kochen angefangen, mit Ehefrau Sonja an der Seite wagte er sich jetzt daran, die Menschen nicht mehr mittels Musik zu begeistern, sondern mit gutem Essen. Erst in der „Zunftstube“, später in der vielfach größeren „Kommunbräu“ in Kulmbach verwirklichte er seine Vorstellung von fränkischer Gastfreundschaft und von einer urigen heimischen Festtagsküche, alles frisch zubereitet und natürlich ohne künstliche Helferlein.
Die Stübingers machten die „Kommunbräu“ wieder zu einem beliebten Ort fränkischer Bier- und Wirtshauskultur. Die renommierte Fachzeitschrift FEINSCHMECKER wählte die „Kommunbräu“ zu den 40 schönsten Bierlokalen Deutschlands und der Bayerische Rundfunk ernannte Peter Stübinger mit seinem Rezept „Schwarz‘ Fleisch und Kließ“ zum Schmankerlkönig. Den Frankenwürfel haben die Stübingers auch zweimal ausgerichtet, von der ausgezeichneten Gansbrust schwärmen einige noch heute. Dass er den Würfel Jahre später selbst bekommen wird, hat sich Peter Stübinger damals aber wahrscheinlich nicht vorstellen können.
2013 übergab er die „Kommunbräu“ dann an seinen Sohn Frank, der sie in seinem Sinne und mit eigenen Ideen erfolgreich weiterführte. Die Ära Stübinger in der „Kommunbräu“ endete im Sommer 2022, gut ein Jahr nach Franks urplötzlichem frühen Tod – ein schwerer Schicksalsschlag für die ganze Familie, der von einem Tag auf den anderen alles veränderte.
Viele Geschichten aus seinem Leben wären noch zu erzählen, er hat sie in einem Buch aufgeschrieben: von Heldentaten und Peinlichkeiten, vom Erfolg und vom Scheitern, von Freundschaften und Enttäuschungen, von der Tragik, einen geliebten Menschen vor den eigenen Augen zu verlieren und vom Glück, den geliebten Menschen fürs Leben zu finden.
Sein Leben spiegelt, was frei nach Hans Max von Aufsess über den wendigen, witzigen und widersprüchlichen Franken in der Urkunde geschrieben steht, die ich Peter Stübinger gleich anschließend übergeben darf:
„Ein Gewürfelter ist ein Mensch, den es im Leben schon genug hin und her und auf und ab geworfen hat, einer daher, der sich auskennt und anpasst, der wie die Dinge auch immer laufen, seinen eigenen, festen Standpunkt hat und auch gleich den der anderen ‚a weng‘ zu erfassen weiß.“
Eine Geschichte will ich doch noch loswerden, weil sie mir Peter Stübinger selbst erzählt hat und weil sie so schön passt. In Oberzettlitz stand das Dorfhaus, das Anwesen seines Onkels. Dort trafen sich die Leute aus dem Dorf und auch er selbst ging dort ein und aus. Das alte Bauernhaus wurde 1979 abgebaut und Jahre später mit großem Aufwand genau hier auf dem Gelände des Fränkischen Freilandmuseums originalgetreu wiederaufgebaut. Was für eine wunderbare Fügung, lieber Herr Stübinger, dass Sie den Frankenwürfel ausgerechnet hier in Bad Windsheim mit dieser schönen Reminiszenz an Ihre Kindheitstage als Bauernbub erhalten. Herzlich willkommen bei den Gewürfelten Franken!
FLORIAN LUDERSCHMID
Regierungspräsident von Oberfranken