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Prof. Dr. Günter Dippold – Lichtenfels (Oberfranken)

Auszeichnung: 2010 – Bad Windsheim

Laudatio

»Was macht einen Menschen zum Franken?«

Mit dieser Frage beschäftigte Professor Dr. Günter Dippold in seiner weithin beachteten Festansprache anlässlich des Tags der Franken 2010 die in der Kulmbacher Stadthalle versammelte Festgemeinde.

»Was macht einen Menschen zum Franken?«

Antworten auf diese Frage suchen seit einem Vierteljahrhundert die fränkischen Regierungspräsidenten mit der Verleihung des Frankenwürfels an – wie es im Statut festgelegt ist – wendige, witzige und widersprüchliche Persönlichkeiten. Fleisch und Blut gewordene Antworten auf die Frage nach dem Wesen des fränkischen Menschen finden sich in Gestalt der Altgewürfelten und Neugewürfelten in diesem Saale und in den Preisträgerlisten und Laudationes des Frankenwürfels seit seiner ersten Verleihung heute genau vor 25 Jahren im Bauernhofmuseum in Kleinlosnitz.

Lieber Herr Professor Dippold, mit dem heutigen Tage werden Sie nun selbst zur Antwort auf die Frage nach den Eigenschaften des Franken und darüber freuen wir uns sehr.

Von den heute zu ehrenden Herren – Herr Stössel und Herr Bauer mögen mir die Taktlosigkeit verzeihen – ist Günter Dippold mit einigem Abstand der jüngste. Gefühlt aber ist er ein alter Hase, an dem, wenn es um Kulturförderung, Heimatpflege und Geschichte geht, in Oberfranken kein Weg vorbei führt.

Geboren vor nicht ganz einem halben Jahrhundert in Schney bei Lichtenfels, fast in Sichtweite von Vierzehnheiligen und Kloster Banz, forderte dem Sohn einer evangelischen Mutter und eines katholischen Vaters die ökumene wohl von Anfang an ein gehöriges Maß an Wendigkeit ab. In beiden Kirchen ist Günter Dippold bis heute ein gefragter und geschätzter Referent. Die Familie ist verwurzelt in der Region. Etliche seiner Vorfahren haben als Korbmacher oder als Arbeiter in den Korbhandelshäusern ihr Brot verdient.

Die Neigung zum Historischen führte Günter Dippold auf einen anderen Weg. Schon in jungen Jahren beschäftigte er sich mit der Geschichte seiner oberfränkischen Heimat, was beinahe zwangsläufig das Studium der Geschichte und Volkskunde mit der Promotion an der Universität Bamberg nach sich zog. Von 1992 an leitete er das Deutsche Korbmuseum in Michelau, bevor er 1994 Bezirksheimatpfleger und Sachgebietsleiter für Kultur- und Heimatpflege beim Bezirk Oberfranken wurde. In seinem Büro in der Bayreuther Kanzleistraße unter dem schützenden Dach der Regierung ist er allerdings nur selten anzutreffen, weil er unermüdlich unterwegs ist, nah an den Menschen, die ihn in allen möglichen und manchmal auch unmöglichen Angelegenheiten angehen und seinen fachkundigen Rat in Wort und Tat suchen.

Seine große Hingabe gilt der Wissenschaft. In unzähligen Büchern und Aufsätzen hat er die Ergebnisse seiner Forschungen zur fränkischen Geschichte und Kultur präsentiert. Seine Bibliographie hat einen für sein jugendliches Alter geradezu unglaublichen Umfang.

Günter Dippold angemessen zu würdigen ist keine einfache übung. Nicht nur wegen der Vielfalt seines Wirkens, das in wenige Worte kaum zu fassen ist. Ein langweiliges Leben führt Günter Dippold bestimmt nicht. Schwierig wird die Lobrede auf Günter Dippold dadurch, dass er selbst ein begnadeter Laudator und brillanter Festredner ist, der mit Wissen und Wortwitz Maßstäbe setzt.

Seit fast 30 Jahren pflegt er eine rege Vortragstätigkeit. Er hat sich in Oberfranken schon eine ansehnliche Fangemeinde aufgebaut. Unterschiedlichen Zuhörerkreisen passt er sich mühelos an. Den interessierten Mitgliedern des Gartenbauvereins steht er ebenso engagiert zur Verfügung wie seinen akademischen Kollegen bei der wissenschaftlichen Fachtagung.

Seine Referate zu historischen Themen, von der Geschichte der Bäcker in Lichtenfels über die Hexenverfolgung im Hochstift Bamberg bis hin zu Hochzeitsbräuchen in Oberfranken, werden regelmäßig mit lange anhaltendem Applaus bedacht. Die Säle sind voll und die Begeisterung ist groß. Wie kein anderer versteht er es, schwierige Zusammenhänge mit Worten, Gestik, Mimik und gut platzierten Dialekteinschüben schwungvoll und anschaulich darzustellen, so dass man ihm stundenlang zuhören könnte.

Günter Dippolds Leben ist Geschichte und ist Geschichte erzählen für seine Mitmenschen – glaubhaft, aktuell, interessant und begreifbar als spannende Spurensuche in unserer Zeit. Seine Zuhörer sind noch lange nach dem Vortrag von den überraschenden Erkenntnissen – gewürzt mit gekonntem Entertainment – angetan. Wie sagte der frühere Dekan von Lichtenfels einmal so treffend: »Wenn in den Schulen der Geschichtsunterricht so spannend vorgetragen würde, dann wäre Geschichte das Lieblingsfach aller Schüler«.

An gesundem Selbstvertrauen mangelt es Günter Dippold nicht. Wenn es ihm wichtig und notwendig erscheint, dann gibt er seine vornehme fränkische Zurückhaltung schnell auf und bläst zum Angriff. »Man muss auch ‚mal aus der Hüfte schießen können, weil sonst der Dilettant schießt«, warnt er die, die ihn noch unterschätzen mögen, und kommt damit gleich bei einem seiner Lieblingsthemen an. Dilettantismus ist ihm zuwider und da kann er sogar richtig ärgerlich werden. In seinem Metier tummeln sich einfach zu viele selbst ernannte Experten und Möchtegern-Wissenschaftler, die manches von dem zu verwässern drohen, was er mit seinen Kollegen über Jahre hinweg an Qualität aufgebaut hat. Nicht jede lokale Initiative – so gut sie auch gemeint sein mag – führt auch zu brauchbaren Ergebnissen.

»Wir brauchen nicht noch mehr Museen mit Dreschflegel, Schusterwerkstatt und Reservistenkrügen, die nach einiger Zeit mangels Geld und Personal nur noch vor sich hindämmern«, mahnt er und träumt lieber von einer fränkischen Forschungsbibliothek nach dem Vorbild der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar. Hier nimmt er auch den Freistaat in die Pflicht und fordert eine gerechtere Verteilung kultureller Einrichtungen über das ganze Land. »Wir wollen nicht Brosamen vom Tisch, wir wollen Platz nehmen am Tisch!«

Dabei ist ihm jegliche chauvinistische Frankentümelei fremd. Von der gebetsmühlenartig geführten Diskussion um Beutekunst und Frankenfahne hat er genug. Während am Tag der Franken eine Schar wackerer Patrioten die Plassenburg in Kulmbach stürmt, um dort die Frankenfahne zu hissen, verlangt Günter Dippold zur gleichen Stunde in seiner schon erwähnten Festansprache stattdessen noch mehr weiß-blaue bayerische Fahnen als Zeichen dafür, dass der Freistaat Verantwortung übernimmt für das kulturelle Erbe der Region – auf der Festung Rosenberg in Kronach beispielsweise oder vor den grandiosen Porzellanmuseen in Selb und Hohenberg. Nicht um ein Stück rot-weißen Stoff gehe es, sondern um Unterstützung und Solidarität!

Seine eigenen Landsleute lässt er nicht ungeschoren. Fränkisch reime sich all zu schön auf zänkisch. Wehe dem, der etwas unternimmt in Franken! Er hat die Besserwisser und Nörgler schnell in seiner Spur. Franken brauche keine Jammerer und Neinsager, keine »Troutscherla« und »Greimeichala«. Nur mit fränkischem Gemeinsinn und Respekt lasse sich etwas erreichen, zuvorderst mit Respekt voreinander. Nur dann könne man Respekt auch von anderen erwarten.

Dem fast sprachlosen Bayerischen Ministerpräsidenten – das will was heißen! – blieb, schwer beeindruckt von Günter Dippolds fulminanter Rede, nur der bewundernde Ausruf: »Was soll man da noch sagen!« Seine letzten Zweifel am fränkischen Selbstbewusstsein waren endgültig ausgeräumt. Dem Festredner bot er sogleich einen Platz am Tisch des Ministerpräsidenten an und ernannte ihn zu seinem Haus- und Hofberater in Sachen bayerischer Geschichte.

Bei allem Fleiß und wissenschaftlichem Eifer lässt Günter Dippold aber doch hin und wieder fünfe gerade sein und widmet sich gerne den kulinarischen Genüssen seiner fränkischen Heimat. Besonders angetan haben es ihm die Biere aus unserer Region und da vor allem die kleinen Brauereien im Bamberger Land, aber auch die Wirtshäuser in der Hofer Gegend. Bei seinen Forschungen über die kleinstädtische Wirtschaft hat er sich mit Hof als Vorposten des bayerischen Bierexports beschäftigt – ganz lässt ihn die Wissenschaft dann doch nicht los. Da wundert es auch nicht, dass er sich nach der Ernennung zum Honorarprofessor der Bamberger Universität für seine Antrittsvorlesung das Thema »Vom Nutzen und Schaden des Bieres« ausgesucht hat – selbstverständlich inklusive einer praktischen übung am »lebenden« Objekt. So stehen Forschung und Lebensfreude bei Günter Dippold nicht im Widerspruch, sondern sie ergänzen sich und finden in trauter Harmonie immer wieder zusammen.

Lieber Herr Professor Dippold, vieles muss ungewürdigt bleiben, weil es den Rahmen sprengen würde: das ehrenamtliche Engagement als Vorsitzender des Colloquium Historicum Wirsbergense, mit rund 1700 Mitgliedern der größte fränkische Geschichtsverein, die Arbeit im Bayerischen Landesverein für Heimatpflege, die wissenschaftliche Beiratstätigkeit im Frankenbund, nicht zu vergessen das soziale Wirken im Caritas-Kreisverband Lichtenfels und einiges mehr.

Zum Glück kommt es beim Frankenwürfel auf die Posten und Funktionen im Einzelnen nicht an, sondern auf das Wendige, das Witzige und das Widersprüchliche – die drei Verleihungskriterien unseres schönen Preises, die Sie in bester Weise in sich vereinen. Sie haben das Zeug zum »Gewürfelten Franken« und deshalb sind Sie heute zu Recht hier und dürfen den Frankenwürfel mit nach Hause nehmen. Dazu meinen herzlichen Glückwunsch und den verdienten Applaus der versammelten Festgemeinde!

WILHELM WENNING
Regierungspräsident von Oberfranken