Auszeichnung: 2012 – Kulmbach
Laudatio
Wir befinden uns im Jahre 2012 nach Christus. Ganz Deutschland ist von großen Brauereikonzernen besetzt…
Ganz Deutschland? Nein! Ein von unbeugsamen Handwerksbrauereien bevölkerter Landstrich im Norden Bayerns hört nicht auf, den Eindringlingen Widerstand zu leisten und sein eigenes Bier zu brauen.
Oberfranken hat mit mehr als 200 Brauereien die größte Brauereidichte der Welt. Hier kennt der Biertrinker seinen Braumeister oft noch persönlich. Die Rohstoffe für die rund 1.000 verschiedenen Biere, die in Oberfranken gebraut werden, wachsen direkt vor der eigenen Haustür in Franken.
Einer, der sich wie die wackeren Gallier zäh und erfolgreich scheinbar übermächtigen Konkurrenten entgegen stemmt, ist der Hofer Vorstadtbräu Hans-Joachim Hansen, der neue oberfränkische „Gewürfelte“ des Jahres 2012. Eisern verteidigt er fränkische Braukultur und bodenständigen Biergenuss gegen zunehmende Kommerzialisierung und Gleichmacherei. Sein Zaubertrank heißt Meinel-Bier und seine Waffen sind die Eigenschaften des typischen Franken, wie sie im Statut des Frankenwürfels beschrieben sind: das Wendige, das Witzige und das Widersprüchliche.
Hans-Joachim Hansen ist ein waschechter Oberfranke, auch wenn der Name „Hansen“ vielleicht eher an Rum und Labskaus als an Hopfen und Malz denken lässt. In Selbitz ist er geboren und im benachbarten Naila hat er bei der Brauerei Wohn die Brauer- und Mälzerlehre nicht nur erfolgreich, sondern sogar mit Auszeichnung bestanden.
Frei nach dem fränkischen Motto „A hubferde Kroa fängt mehr als wie a hoggerde“ flatterte er anschließend von Brauhaus zu Brauhaus, um sein Können zu perfektionieren. So kehrte er dem Fränkischen erst einmal für gut zehn Jahre den Rücken. über Weihenstephan ging es in die Landeshauptstadt zum Hofbräuhaus, zwischendurch in die Brauakademie zum Meisterkurs mit Prädikatsabschluss, schließlich über die Familienbrauerei Egerer und den Bräuwastl in Weilheim zurück ins Oberfränkische, wo er bei der Brauerei Falter in Hof denen zu Hause endlich zeigen konnte, was er im nichtfränkischen Ausland so gelernt hatte.
Wie es wohl gekommen wäre, wenn er nicht von Amors Pfeil getroffen mit seiner Gisela ausgerechnet eine Brauereibesitzertochter kennen und lieben gelernt hätte? Welch ein Glück für die Hofer und für uns, dass sie sich über den Weg gelaufen und dem Werben des Schicksals gefolgt sind! Mit der Heirat 1986 steigt er in die Hofer Familienbrauerei Georg Meinel ein und setzt an der Seite seiner Frau die Geschichte des Traditionsbetriebes von 1731 nunmehr bereits in der 12. Generation fort.
Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Hof zwölf Brauereien. Heute ist die Meinel-Bräu die einzig verbliebene Brauerei in Familienhand. Der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Er ist das Resultat harter Arbeit, handwerklichen Geschicks und schier unendlicher Kreativität.
Hans-Joachim Hansen hat sich durch seine Spezialbiere zu besonderen Anlässen einen Namen gemacht und sich und seine Brauerei dadurch zugleich ganz fest mit den Hofern verwurzelt. Sein Hunnenbier aus dem verpichten Eichenfass haut beim Burgfest am Labyrinth den stärksten Ritter um. Das Pfarreien-Bier „Konrad und Mariechen“, das nach der Fronleichnamsprozession von St. Marien nach St. Konrad feierlich angestochen wird, trägt wohl als einziges Bier der Welt den Namen der Pfarreien, für die es gebraut wird. Mit seiner Frau zusammen hat er die Einrichtung der Brauerei komplett auf den neuesten Stand gebracht und damit die Weichen für die Zukunft gestellt. Noch dazu zeichnen ihn soziales Engagement und ein großes Herz aus, wenn er z.B. die Hofer Tafel, den Kinderschutzbund und den Bürgerpark Theresienstein unterstützt.
Die Hofer belohnen seine Arbeit mit ihrer Treue. Sie schätzen die Vielfalt und Qualität seiner Bierspezialitäten, die sie am liebsten in der urigen Schankwirtschaft Meinel’s Bas in der Hofer Vorstadt und dort bevorzugt im ältesten Biergarten der Stadt zusammen mit einer deftigen Brotzeit oder einem knusprigen Schäufele genießen. Braucht es nachher eine Verdauungshilfe, kein Problem! Seit 1999 hat die Brauerei eine eigene Hofbrennerei, in der Hans-Joachim Hansen edle Tropfen vom Bierbrand über Schlehengeist bis hin zu kräftigen Kräuterlikören selbst destilliert.
Der Samstag nach Aschermittwoch ist im Hofer Festtagskalender seit einigen Jahren für ein besonderes Ereignis in der Meinels-Tenne fest reserviert. Dann sticht der Braumeister das erste Fass „Absolvinator“ an. Mit den Worten „Etzert lefft’s“ statt dem verpönten „O’zapft is“ läutet Hans-Joachim Hansen die Hofer Starkbierzeit ein. Dem süffigen dunklen Bock hat die Schülerverbindung „Absolvia Hof“ ihren Namen gegeben. Nicht nur zahlreiche Bundesbrüder mit Anhang finden sich zum Starkbieranstich ein, auch die Politprominenz aus der Region und das Hofer Establishment lassen den Absolvinator gerne und reichlich durch ihre Kehlen fließen.
Hansen braut nicht nur das kräftige Festbier, sondern auch eine deftige Festrede, mit der er der lokalen und überregionalen Politik gekonnt den Spiegel vorhält. Vor 18 Jahren hat er begonnen, Anstich und Derblecken, wie er es in seinen Wanderjahren im Münchner Raum kennen gelernt hatte, auch in der Region auszuprobieren. Damit hat er voll ins Schwarze getroffen. Ging es anfangs in seinen Reden nur ums Bier, hat er später die Politik als noch spannenderes Themenfeld entdeckt.
Seinen Pendants auf dem Nockherberg steht er beim Derblecken in nichts nach, nur dass es hier noch viel ursprünglicher zugeht als beim großen Vorbild. Wie es beim Starkbieranstich nun einmal Tradition ist, müssen sich die Damen und Herren aus der Politik so manchen Anpfiff vom Hofer Bruder Barnabas gefallen lassen. Ob Hofer Himmel oder Berlusconi-Rücktritt, arabischer Frühling oder OB-Wahl – Hans-Joachim Hansen lässt kein Thema aus, mit dem er großen und kleinen übeltätern einmal die Leviten lesen kann. Die Zielscheiben seiner Spöttereien brauchen gute Nehmerqualitäten. Mit seinen Mahnungen stimmt er erst nachdenklich, um im nächsten Moment mit herrlichem Wortwitz das herzhafte Gelächter der Zuhörer zu ernten.
Die Derbleckten nehmen es mit Humor. Wirklich böse wird ihm keiner. Seine Beiträge sind zwar scharfzüngig, aber nie beleidigend oder unter der Gürtellinie. Mag es hin und wieder eine auf den Deckel geben, am Ende können doch alle wieder gemeinsam lachen. Wenn es den Gästen gefallen hat und sie ihm versprechen, dass sie das nächste Mal bestimmt wieder kommen, genügt ihm das vollkommen als Lob und Anerkennung für seine Mühe.
Ein „Gewürfelter“ schaut ja immer auch ein wenig über seinen Tellerrand hinaus. So auch Hans-Joachim Hansen. Nicht nur, dass er als Innungsobermeister die Interessen aller Brauereien in seinem Bezirk vertritt. Er arbeitet auch im Verband mittelständischer Privatbrauereien und im Verein Bierland Oberfranken tüchtig mit.
Mit vollem Einsatz warf er sich 2004 auf der Internationalen Handwerksmesse in den Bierstreit Oberfranken gegen München. Es sollte endgültig ausgefochten werden: wer braut denn nun das bessere Bier? Keine Frage, dass die oberfränkischen Brauereien mit Hansen als Vorkämpfer den Sieg um Längen davon getragen haben.
Hans-Joachim Hansen ist immer dabei, wenn es etwas für seinen Berufsstand und für seine Heimat zu tun gilt. Deshalb machte er mit seiner Brauerei auch bei der ersten oberfränkischen Genusspartnerschaft mit – eine Aktion der Genussregion Oberfranken zur Stärkung regionaler Erzeugnisse und zur Unterstützung der heimischen Landwirtschaft.
Noch einmal zurück zum Anfang. Den Vergleich Hans-Joachim Hansens mit den pfiffigen Galliern hat sich Laudator Dr. Werner Gloßner bei der Verleihung des Bayerischen Bierordens 2011 einfallen lassen. Der Bayerische Bierorden war bis gestern die höchste Auszeichnung, die Hans-Joachim Hansen bisher erhalten hatte. Gewürdigt wurden seine Verdienste um die fränkische Bierkultur. Dass er jetzt mit berühmten Ordensträgern wie Uschi Glas, Franz Josef Strauß und Luitpold Prinz von Bayern in einem „Bieratemzug“ genannt wird, macht ihn schon ein wenig stolz.
Was ihn aber besonders stolz macht – und das völlig zu Recht -, sind seine drei Mädels. Von seiner Ehefrau habe ich schon gesprochen. Sie ist seine Stütze und treue Begleiterin in 26 Ehejahren.
Dann sind da noch die beiden Töchter Monika und Gisela, die schon federführend in der eigenen Brauerei mitarbeiten und sich gerade anschicken, den heimischen Betrieb demnächst als 13. Generation verantwortlich zu übernehmen. Die rührigen Nachwuchsunternehmerinnen machen dem Papa alle Ehre. Monika wurde 2009 mit gerade einmal 20 Jahren Deutschlands jüngste Braumeisterin. Ihr Meisterinnenstück, ein betörend fruchtig-frischer Weizenbock, räumte beim European Beer Star, einem der bedeutendsten Bierwettbewerbe weltweit, sogar die Goldmedaille ab.
Hans-Joachim Hansen ist den Anforderungen an einen Würfelträger bestens gewachsen. Er ist ein Hofer Urgestein und ein typischer Vertreter fränkischer Lebensart. Mit seiner manchmal etwas herben Art, die aber niemals böse gemeint ist, verkörpert er einen Oberfranken, wie er im Buche steht: nach außen hin rau wie die Landschaft, aber mit einem weichen Herz und einem ganz besonderen Humor. Er bringt die Dinge klar auf den Punkt, ohne lange um den heißen Brei herum zu reden. Man muss sich vielleicht etwas Zeit nehmen, um ihn kennen zu lernen, ein wenig Geduld haben und auch einmal etwas von sich hergeben, dann kommt man schon mit ihm zusammen und bleibt es auch. Und das bisschen Warten lohnt sich bei dem Hofer Oberfranken Hans-Joachim Hansen.
Als Genussmensch wird er auch die Zugabe in Form des jährlichen Bratens am 11. November nicht verschmähen. Und damit diese Zugabe heute nicht im Ofen verbrennt, soll diese Laudatio jetzt auch zum Ende kommen, denn es ist gesagt, was gesagt werden musste.
Herzlich willkommen, lieber Herr Hansen, im Kreis der „Gewürfelten Franken“!
WILHELM WENNING
Regierungspräsident von Oberfranken